Sonntag, 18. September 2011

Einwände gegen die Akt-Potenz-Theorie (APT)

Alle mir bekannten Einwände gegen die zuvor nur kurz dargestellte Akt-Potenz-Theorie beruhen auf Missverständnissen oder Voraussetzungen einer Metaphysik, die sich wesentlich von der essentialistischen Metaphysik unterscheidet. Diese Missverständnisse bestehen in der Verwechslung von Akt und Potenz mit logischer Möglichkeit und Wirklichkeit. Die andere Metaphysik, von der man die APT kritisiert, ist eine aktualistische Metaphysik bzw. Ontologie, in der es nur Wirkliches gibt.





Eine logische Möglichkeit unterscheidet sich wesentlich von einer realen Möglichkeit, von einer Potenz im Sinne des Realessentialismus (so könnte man mit David Oderberg die scholastische Metaphysik bezeichnen). Die logische Möglichkeit bezieht sich aus Sätze, auf Aussagen,, die reale Möglichkeit hingegen auf die Wirklichkeit. Die Struktur der Sprache und die der Wirklichkeit sind aber nicht identisch, wie im Gegensatz dazu, bestimmte sprachphilosophische Richtungen der Gegenwart behaupten.

Potentiell, d.h. real möglich ist etwas dann, wenn es zur Wesenheit einer Entität gehört, es ist als Potenz real in einer Entität vorhanden. Veränderung bedeutet, dass etwas – eine potenzielle Eigenschaft, ein potentielles Merkmal oder ein potentielles Akzidenz einer Substanz – wirklich, d.h.  aktualisiert wird. Diese Potenz ist in der Substanz vorhanden, allerdings nicht wirklich, sondern eben als Möglichkeit, potentiell. Es sind aber immer nur ganz  bestimmte Möglichkeiten in einer Substanz vorhanden nämlich solche, die zum Wesen der Substanz gehören. Eine potenziell reife Banane ist aktuell unreif und wenn sie reif wird, wird ihre potenzielle Reife aktual. Aus der Banane wird aber kein Huhn, welchen äußeren Ursachen die Banane auch immer ausgesetzt sein mag.Auch die Entstehung einer neuen Entität, einer Substanz, ist eine Aktualisierung einer ersten Materie (reine Potenz) durch eine Form (Akt). Logische Möglichkeit wird deutlich weiter gefasst, denn es ist logisch durchaus möglich, dass aus einer Banane ein Huhn wird. Logisch möglich ist das, was den Gesetzen der Logik entspricht und es gibt kein logisches Gesetz, nachdem aus einer Banane kein Huhn werden kann.

Argumente unter Voraussetzung einer aktualistischen Metaphysik gehen davon aus, dass nur Aktuales, Wirkliches existiert. Daraus ergibt sich dann der Einwand, dass die Banane entweder reif sein muss oder nicht reif ist. Entweder existiert die Potenz, dann aber ist die Banane reif, oder sie existiert nicht, dann ist sie unreif. Beides kann nicht gleichzeitig sein. Diese Auffassung lag bereits der Lehre des vorsokratischen Philosophen Parmenides zugrunde, für die Aristoteles eine Lösung suchte und als solche eben die Akt-Potenz-Theorie entwickelte. In abgewandelter Form tritt diese aktualistische Metaphysik heute wieder in der analytischen Philosophie auf, freilich ohne die Konsequenz des Parmenides, der bestritt, dass es überhaupt Veränderung gibt. Moderne Vertreter dieses Aktualismus sind David Lewis, W.V.O. Quine oder in Deutschland z.B. Erwin Tegtmeier (seihe dessen Buch "Zeit und Existenz").

Voraussetzungen dieser aktualistischen Philosophie sind ein univoker Seinsbegriff, d.h. ein Verständnis von Sein, Existenz, das immer das Gleiche bedeutet, unabhängig davon ob man die Existenz von Eigenschaften oder Substanzen oder was auch immer meint. Hinzu kommt eine rein relationale Zeittheorie, nach der sich die Zeit ausschließlich in bestimmten Relationen wie "früher als", "gleichzeitig mit", "ist zeitlicher Teil von" usw. analysieren lässt. Es ist hier zu schwierig und aufwändig, diese Theorien im einzelnen darzustellen und kritisch zu beleuchten. Jedenfalls stellen sie keinen wirklichen Einwand gegen die APT dar, sondern bestenfalls eine andere Theorie der APT gegenüber.

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