Donnerstag, 3. Juli 2014

Wirkursache und Finalursache

Aristoteliker unterscheiden zwischen effizienten und finalen Ursachen. Eine effiziente oder Wirkursache ist eine solche Ursache, die etwas in die Existenz bringt oder etwas in irgendeiner Weise verändert. Sie wird auch als Agens (Agenskausalität) bezeichnet. Diese Art der Ursache entspricht ungefähr dem, was in der Gegenwartsphilosophie unter „Ursache“ überhaupt verstanden wird. Eine Final- oder Zweckursache ist dasjenige, um dessen Willen etwas besteht oder geschieht, wie Aristoteles im 5. Buch der „Metaphysik“ sagt. Die Ziel-, Zweck- oder Finalursache wird in der Gegenwartsphilosophie auch als teleologische Kausalität bezeichnet.


Da es zahlreiche Missverständnisse bezüglich der Finalursache gibt, muss man einige wichtige Unterscheidungen beachten. Zunächst muss man klar zwischen intrinsischer und extrinsischer Finalität unterscheiden. Dass die Teile einer Uhr so zusammengesetzt sind, dass sie die Zeit anzeigen, ist ein Beispiel für extrinsische Kausalität, denn es ist den Teilen sozusagen „egal“, dass sie für diesen Zweck zusammengesetzt wurden; in den Teilen selbst gibt es keine Neigung, zu einer Uhr zu werden. Der Uhrmacher hat die Teile so zusammengesetzt, dass sie den Zweck der Uhr erfüllen. Demgegenüber ist die Neigung einer Eichel, zum Baum zu werden, intrinsisch, diese Neigung ist in der Natur der Eichel selbst vorhanden. Ganz allgemein kann man sagen, dass sich die extrinische Finalität vor allem bei Artefakten findet, während sich die intrinsische Finalität in echten Substanzen, in natürlichen Dingen findet.

Weiterhin muss man unterscheiden zwischen einem Ziel oder einem Zweck auf der einen Seite, und der Gerichtetheit auf ein Ziel oder einen Zweck. So gibt es einen Unterschied zwischen dem Zweck der Uhr, die Zeit anzuzeigen und den Teilen der Uhr, die zusammenwirken um diesen Zweck zu erreichen. Ebenso gibt es einen Unterschied zwischen dem Ziel, ein Eichenbaum zu werden und der Gerichtetheit der Eichel auf dieses Ziel. Von dem Ding selbst aus gesagt kann man deshalb sagen, dass das Ziel oder der Zweck für das Ding immer extrinsisch ist. Die Gerichtetheit auf ein Ziel oder einen Zweck hingegen ist nicht immer extrinsisch. Im Falle der Uhr ist dieses Gerichtetsein auf ein Ziel extrinsisch, bei der Eichel hingegen ist diese Gerichtetheit intrinsisch, sie gehört zur Natur der Eichel.

Wir müssen zudem unterscheiden zwischen der Frage, ob die Finalität in einem Ding existiert und der Frage, was die Quelle dieser Finalität des Dinges ist. Beide Fragen werden nicht selten durcheinander geworfen und zwar sowohl von Theisten als auch von Atheisten in Hinsicht auf die Frage, ob eine göttliche Intelligenz die Ursache solch einer Gerichtetheit ist. Doch beide Fragen sind verschieden, wenn sie auch in Beziehung zueinander stehen. Es gibt zunächst die Auffassung, dass es eine solch Gerichtetheit in der Natur gibt und das die Quelle dieser Gerichtetheit der göttliche Verstand ist. Diese Auffassung findet sich bereits bei dem Vorsokratiker Anaxagoras, dann auch bei Platon, später bei Newton und William Paley, dem Vater der Intelligent Design Theory.

Demgegenüber steht die aristotelische Theorie der Teleologie, nach der die Gerichtetheit auf ein Ziel oder einen Zweck im natürlichen Gegenstand selbst vorhanden ist, dass die Quelle dieser Gerichtetheit aber die Natur, die Wesenheit dieser Dinge ist. So ist die Eichel darauf gerichtet, ein Eichenbaum zu werden, einfach deshalb, weil es das ist, was eine Eichel auszeichnet und nicht weil eine göttliche Intelligenz die Eichel darauf richtet. Dieser Punkt ist ganz zentral in der Auseinandersetzung der aristotelisch-scholastischen Philosophie mit der Intelligent Design Theorie, die antiaristotelisch ist. Nach aristotelischer und auch thomistischer Auffassung kann man die Frage nach der Existenz von Teleologie in der Natur trennen von der Frage nach einer göttlichen Ursache einer solchen Teleologie.

Nun zum Problem des Zusammenhangs von Wirkkausalität und Finalkausalität. Wirkkausalität ist nichts anderes als die Aktualisierung einer Potenz. Aber jede Potenz ist eine Potenz für etwas. Die Potenz ist immer auf ein bestimmtes Ergebnis, ein bestimmtes Ziel gerichtet und genau in diesem Sinne beinhaltet die Potenz Finalität oder Gerichtetheit. Und deshalb setzt Wirkkausalität notwendigerweise finale Kausalität voraus. Dies ist, kurz gesagt, der enge Zusammenhang zwischen Wirkursache und Zweckursache: Jede Wirkursache aktualisiert eine Potenz, die aber eine Potenz zu etwas ist, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist, z.B. die Potenz der Eichel zu einem Eichenbaum, und so „enthält“ die Potenz, die aktualisiert wird, ein Ziel, die Finalursache.


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