Montag, 16. März 2015

Sind Dinge Ereignisse?

Es gibt Philosophen, zu denen z.B. der späte Bertrand Russell, Whitehead und andere gehören, die der Auffassung sind, dass aufgrund der Erkenntnisse der modernen Physik die Dinge unserer Alltagswelt, die von der aristotelisch-scholastischen Philosophie, aber auch von vielen anderen Philosophen, als Substanzen analysiert werden, als Ereignisse zu analysieren sind. Ereignisse sind daher fundamentaler als Substanzen. Wie auch in zahlreichen anderen Fällen, in denen behauptet wird, dass die Ergebnisse der modernen Physik eine grundsätzliche Änderung der Philosophie erforderlich machen, zeigt sich bei einem genaueren Blick, dass sich die Ergebnisse der Physik auch alternativ interpretieren lassen.
 
 

Denn weder die Quantenphysik, noch die Relativitätstheorie sind als solche philosophische Theorien und besagen deshalb nichts über das Problem der Substanzen. Hier ist eine metaphysische Interpretation erforderlich, die nicht in der Physik selbst enthalten ist. Nur der Hinweis auf die moderne Physik kann die scholastische Philosophie in keiner Weise in Frage stellen.

Es ist im Gegenteil sogar so, dass die Relativitätstheorie und die Quantenphysik die Substanztheorie bestätigen. Denn einerseits ist das eine Ding – das Raum-Zeit-Kontinuum – von der Art einer einzigen vierdimensionalen Substanz, von der alles andere ein Akzidenz ist. Auf der anderen Seite haben Ereignisontologien die gleichen Probleme wie Bündeltheorien insofern, als sie Substanzen durch Ereignisbündel ersetzen. Denn Ereignisse werden, wie die Eigenschaften in den Bündeltheorien, als Substanzen behandelt und gewöhnliche Alltagsgegenstände als Aggregate dieser etwas außergewöhnlichen Substanzen betrachtet.

Eigentlich sind Ereignisontologien eine Neuauflage der Philosophie Heraklits, nach dem sich alles im Fluss und im Werden befindet. Gegen diese Theorie hat bereits Aristoteles argumentiert und die Probleme dieser Theorien, besonders wenn sie modern mit naturwissenschaftlichen Erkenntnis aktualisiert werden, sind eher größer geworden. Die Wissenschaft ist eine Tätigkeit von Menschen, Menschen, die wissenschaftliche Instrumente entwerfen und gebrauchen, die Beobachtungen machen und Schlüsse ziehen. Und Menschen sind eine bestimmte Art von Substanzen. Wenn dies nicht der Fall ist, müssten uns Ereignisontologen einen Ansatz bieten, durch den sie kohärent in der Lage sind uns zu erklären, wie Ereignisse die Dinge tun können, die wir tun.

Wenn das, was wir eine Person nennen, wirklich nur ein Ereignis ist, ein Prozess oder eine Reihe von Ereignissen, dann stellt sich die Frage, wie dann, sagen wir, die Ereignisse der Ableitung von bestimmten Vorhersagen aus einer Theorie, eine bestimmte Beobachtung und aus der Schlüsse zu ziehen sind und andere Ereignisse, nur diese Ereignisse sind, ohne jemanden, der dies tut. Es gibt hier niemanden von dem man sagen kann, dass er etwas lernt, niemanden, der Wissenschaft betreibt, sondern es gibt nur das Lernen, wissenschaftliche Ereignisse, nur Wissen, ohne das Jemand weiß usw. Es gibt nur das Sitzen, nicht Sokrates der sitzt; es gibt das Blühen, aber nichts, das blüht.


Nun könnte der Ereignisontologe einwenden und sagen, dass es natürlich so etwas wie eine Person gibt, die diese Tätigkeiten ausübt und dass diese Person gerade diese Ansammlung von Ereignissen ist. Doch so wie der Bündelontologe nicht in der Lage ist zu zeigen, warum es gerade diese Eigenschaften sind, die das Bündel ausmachen und keine anderen, so gibt es auch für den Ereignisontologen keinen prinzipiellen Weg zu zeigen, wie die genau „richtigen“ Ereignisse die Person ausmachen. Warum sind es gerade diese und keine anderen Ereignisse, die diese Person konstituieren?

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