Freitag, 26. Februar 2016

Zielgerichtete Tätigkeiten. Der fünfte Weg



Wenn wir die Vorgänge in der belebten Natur betrachten, so sehen wir, dass hier Lebewesen tätig sind, die durch diese Tätigkeit bestimmte Wirkungen erzielen. Pflanzen produzieren Früchte die Samen enthalten, durch die sie sich vermehren. Sie ziehen Nährstoffe durch ihre Wurzeln aus dem Boden, durch die sie sich ernähren. Tiere jagen und bauen Höhlen oder Nester um sich vor Witterung zu schützen und ihren Nachwuchs aufzuziehen. Dabei ist ganz offensichtlich, dass diese Lebewesen, im Unterschied zu Menschen, diese Tätigkeiten nicht bewusst tun und die erzielten Wirkungen nicht in der bewussten Absicht der Lebewesen liegen, dass sie aber trotzdem oft erfolgreich tätig sind. Dies ist die empirische Ausgangslage des fünften Gottesbeweises, des sogenannten fünften Weges, bei Thomas von Aquin.



Bei diesen Tätigkeiten und ihren Wirkungen handelt es sich um regelmäßig wiederkehrende Beziehungen zwischen einer Tätigkeit und einer Wirkung, um feststehende Regularitäten also, die von den Wissenschaften untersucht werden. Es ist offensichtlich, dass die Tätigkeit eines Lebewesens auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist, dass das Tier oder die Pflanze mit der Tätigkeit eine bestimmte Wirkung zu erzielen beabsichtigt, allerdings so, dass dies dem Lebewesen selbst völlig oder zumindest weitgehend nicht bewusst ist. Die Tätigkeit des Lebewesens scheint aber auf etwas gerichtet zu sein, obwohl dieses Lebewesen diese Tätigkeit gleichsam unbewusst, instinktiv durchführt und dabei in vielen Fällen erfolgreich in der Selbsterhaltung und Fortpflanzung ist.

Aus diesen Hinweisen, die sich überall in der belebten Natur finden, kann man schließen, dass es Ziele und Zwecke gibt, die den Lebewesen und ihren Tätigkeiten immanent sind, d.h. die in ihnen selbst liegen. Denn die Tiere oder Pflanzen werden nicht von außen gesteuert, wie ein Fahrzeug oder sonst ein Gerät oder eine Maschine, die von Menschen geschaffen wurde. Die Lebewesen vollziehen ihre Tätigkeit aus sich selbst, wobei diese Tätigkeiten auf Wirkungen gerichtet sind, die das Ziel der Tätigkeit sind, ohne dass den Lebewesen dieser Zusammenhang selbst bewusst ist. Diese Einsicht in die immanenten und zielgerichteten Tätigkeiten der Lebewesen stammt bereits von Aristoteles, der damit auch Platon wiederspricht, der der Auffassung war, dass diese zielgerichteten Tätigkeiten von außen kommen müssen, dass die Lebewesen gleichsam wie menschliche Produkte einen äußerlich eingegebenen Zweck verfolgen. Genau diese platonische Auffassung finden wir heute wieder in der „Intelligent Design Theorie“, die auf den anglikanischen Geistlichen William Paley im 19. Jahrhundert zurückgeht. Ich habe dazu in diesem Blog verschiedene Posts veröffentlicht und diese Theorie kritisiert. Aristoteles und mit ihm Thomas von Aquin lehnen diese Auffassung ausdrücklich ab und verteidigen die Theorie der immanenten Ziel- und Zweckgerichtetheit der Lebewesen. Lebewesen sind keine von Gott oder einem Demiurg gesteuerten Roboter.

Doch dies bedeutet nicht, dass die immanente zielgerichtete Tätigkeit ohne Gott verständlich ist. Und darauf beruht nun der 5. Gottesbeweis Thomas von Aquins, den Aristoteles nicht kannte und der sich auch nicht unmittelbar aus der Tatsache der zielgerichteten Tätigkeit der Lebewesen ergibt, wie dies nach Auffassung der Intelligent Design Theorie der Fall ist. Es bedarf zusätzlicher Prämissen und Argumente, um von der Beobachtung der zielgerichteten Tätigkeit zu Gott zu gelangen, so wie die Erkenntnis der Wirkkausalität nicht direkt zur Erkenntnis Gottes als der Erstursache führt (1. und 2. Gottesbeweis).

Die zusätzliche Prämisse lautet: Eine nicht-intelligente Ursache kann nur auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sein, wenn sie auf dieses Ziel hingelenkt wird. Natürlich kann man diese Prämisse in Frage stellen und es wurde dagegen immer wieder argumentiert. Wichtige Gegenargumente finden Sie in dem jüngst erschienen 5. Band des Grundkurs Philosophie. Hier kann ich diese Gegenargumente nicht wiederholen. Man kann zur Begründung der zusätzlichen Prämissen nur auf unsere eigene Erfahrung verweisen: Wie soll etwas tätig sein und eine bestimmte Wirkung erzielen, wenn dieses Etwas überhaupt kein Verständnis für den Zusammenhang von Tätigkeit, Ursache und Wirkung hat?

Trifft dies aber zu, dann muss es eine Intelligenz geben, die die Tätigkeit der Lebewesen irgendwie lenkt. Nun sind aber, wie ich betont habe, die Ziele und Zwecke den Lebewesen gleichwohl inhärent und nicht von außen gesteuert wie bei einem Roboter. Deshalb muss man annehmen, dass die Intelligenz, die die Lebewesen auf ein Ziel richtet, auch die Ursache der Natur und der Wesenheit der natürlichen Dinge ist. Diese Intelligenz muss also nicht nur die natürlichen Dinge auf ein Ziel ausrichten, sondern zugleich diese Dinge erschaffen. Hier kann man durchaus die Analogie zum Menschen verwenden, wenn auch der Mensch keine Dinge im eigentlichen Sinne erschafft. Dass ein Messer schneidet, ist dem Stahl oder der Keramik – dem Material aus dem das Messer gefertigt wird – nicht inhärent. Stahl hat keine inhärente Neigung oder Disposition zum Schneiden. Der Hersteller des Messer bearbeitet das Material in der Weise, dass ihm diese Fähigkeit zu schneiden „aufgezwungen“ wird. Bei Lebewesen ist diese Fähigkeit, diese Neigung, auf ein bestimmtes Ziel gerichtet zu sein, den Dingen nicht äußerlich, wie dem Stahl das Schneiden, sondern innerlich. Und dies kann nur eine Intelligenz bewerkstelligen, die die Dinge „von Grund auf“ erschaffen hat.

Diese Intelligenz muss das Sein geschaffen haben, das Existenz und Wesenheit beinhaltet und sie muss Existenz und Wesenheit miteinander verbunden haben. Dies aber ist nur einem Wesen möglich, bei dem Wesenheit und Existenz nicht real verschieden, sondern identisch sind und damit verweisen wir zurück auf den zweiten Gottesbeweis. Nur eine Entität, bei der Existenz und Wesenheit identisch sind, ist in der Lage etwas zu erschaffen, d.h. Existenz und Wesenheit miteinander verbinden und zwar so, dass dieses geschaffene Seiende in seiner Tätigkeit inhärente Ziele und Zwecke verfolgt, durch die es sich selbst am Leben erhält und seine Art durch Fortpflanzung erhält.

Man muss zu diesem Gottesbeweis erheblich mehr ausführen, als in einem Blogbeitrag möglich ist. Es kommt mir hier vor allem auch darauf an, deutlich zu machen, dass der fünfte Weg Thomas von Aquins grundlegend verschieden ist von den Gottesbeweisen der Intelligent Design Theorie. Wer mehr über diesen Gottesbeweis wissen möchte und die Gegenargumente kennenlernen will, sowie deren Widerlegung, den verweise ich auf das bereits oben genannte Buch oder auf das „Wochenende mit Thomas von Aquin“ wo diese Dinge sicher auch ausführlicher behandelt werden.

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